Künstlerische Verarbeitung

 

Kunst als Therapie

Der Verlust der Stimme war für miley-berlin gleichzeitig der Verlust eines Teils seiner Persönlichkeit, deshalb erlebte der Künstler seine Laryngektomie als tiefeinschneidendes Ereignis. Die Kunst hat ihn durch diese schwere Zeit getragen. Durch sie konnte er verarbeiten, was ihm verloren ging.

Miley-berlin ist Künstler mit Leib und Seele. Den Grundstein legte sein Kunstlehrer in der Grundschule, der damals eher ungewöhnliche Kunstprojekte mit den Kindern machte, und so miley-berlins Kreativität anzündete. Der heute 70jährige ist vor allem als Druckgrafiker und Radierer sowie als Grafikdesigner unterwegs. Diese Techniken faszinieren ihn deshalb so sehr, weil sie einerseits handwerkliches Geschick mit technischem Verständnis und grafischer Kreativität vereinen. Andererseits, weil man damit so herrlich experimentieren kann. Wenn er etwas auf seine Druckmaschine legt, weiß er nie hundertprozentig im Voraus, was dabei entsteht. Es macht ihm große Freude, diese „Zufallsergebnisse“ zu nehmen und weiterzuentwickeln, immer mit dem Quäntchen Unsicherheit über das Endergebnis. Zudem fasziniert ihn die Verbindung von altem Handwerk mit neuen technischen Möglichkeiten – er mischt z. B. Computergrafik mit herkömmlicher Druckplattentechnik.

 

Darüber hinaus haben es ihm Künstlerbücher angetan. Sie machen allgemein das Buch zum Gegenstand eines künstlerischen Konzepts. Jedes ein Unikat, hat er schon an die hundert Stück davon kreiert. Darin verarbeitet er unterschiedliche Materialien zu Themen, die ihn gerade bewegen. So visualisiert miley-berlin Musikstücke, verarbeitet Stadtpläne oder Firmenflyer. „Ein Schlüsselwerk ist mein Krankheits- und Therapie-Tagebuch von 2002, dem Jahr meiner Laryngektomie. In ihm habe ich die unmittelbaren Erlebnisse der ersten Wochen festgehalten“ erzählt er.

Durch die Benennung und Darstellung des Leidens, wird es für ihn selbst im wahrsten Sinne des Wortes „be-greifbar“ und kann außerhalb des eigenen Körpers sachlich betrachtet werden. Dadurch verliert es einen Teil seines Schreckens und dieser die Macht über die eigene Psyche. Die Themen Leben, Gesundheit, Behinderung, Laryngektomie bewegen ihn bis heute und finden sich in seinen Werken wieder. Hier dargestellt in den Druckgrafiken "Pseudoglottis" und "Multiversum".

Druckgrafik in rot/schwarz/weiß mit mehreren Pseudoglottissen

Seine Kunst hat sich über die Jahrzehnte weiterentwickelt. Einerseits hat er durch seine Arbeit als Grafikdesigner für Verlage und Druckereien einiges dazugelernt oder weiterentwickelt. Andererseits durch die gemeinsame Arbeit mit befreundeten Künstlern, Verlegern oder Autoren Projekte und Ausstellungen initiiert, die wiederum für sich Neues hervorgebracht haben.

Das Künstlerprojekt „Drittbrett“ war eine Kooperation mit zwei Freunden. Bei diesem Projekt begann einer mit einer Druckgrafik und gab es an den nächsten weiter. Dieser veränderte, erweiterte oder verfremdete die Druckplatte seinerseits und reicht sie an den Dritten weiter. Daraus entstanden sind interessante „Entwicklungsprojekte“, deren Ausgang aber auch Ursprung für jeden unvorhersehbar und dadurch besonders spannend war.

Auch andere Themen, die ihn bewegen, verarbeitet der Kreative künstlerisch. Politische Ereignisse, wie den Sturm auf das Capitol oder auch die Klimaveränderung, treiben den Künstler um und inspirierten ihn zu seiner letztjährigen Ausstellung in der Berliner Heilandskirche und zu einigen Grafiken, die zum Thema Nachhaltigkeit entstanden sind. 

Künstlerische Verarbeitung ist für miley-berlin zur Selbstverständlichkeit geworden. Ganz praktisch verarbeitet er unterschiedliche Materialien und kreiert daraus Neues. Und auch das Verarbeiten von Themen, die ihn beschäftigen, gehören bei ihm zum Selbverstandnis. Seine Art der Verarbeitung brachte er auch anderen Patienten näher. Die Broschüre „Psychoonkologische und soziale Hilfe bei Kopf-Hals-Tumoren“ der Charité Berlin und des Selbsthilfevereins der Kehlkopfoperierten Berlin und Umland, Landesverband-Berlin e. V. gestaltete der Grafiker mit einigen seiner Kunstwerke, und ermuntert die Leser darin, sich mit Kunst – in welcher Form auch immer – zu befassen. Auch über die üblichen Kunsttherapiestunden in der Reha hinaus.

Bei miley-berlin funktioniert die Kunst als Therapieform. „Nicht für jeden ist das der richtige Weg. Aber es gibt noch so viele Kreativtechniken auf dieser Welt, da lohnt es sich unbedingt, sich ein bisschen umzusehen“ ermuntert er.

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