Entwöhnung von der Trachealkanüle
 

Nach schwerer Erkrankung mit der Notwendigkeit einer Tracheostoma-Anlage und teilweise langer Behandlungszeit, evtl. mit Beatmung, gibt es für viele Patienten und deren Angehörige ein erklärtes Ziel: die Entwöhnung von der Trachealkanüle, auch Dekanülierung genannt. Immerhin bringt der veränderte Atemweg viele Veränderungen und Funktionseinschränkungen mit sich. Verständlicherweise ist der Wunsch deshalb groß, langfristig ohne dieses Hilfsmittel und falls möglich, auch ohne ein Tracheostoma zu leben.

Die Realisierung dieses Ziels hängt von mehreren Faktoren ab. Entscheidend ist unter anderem die Indikation für die Tracheotomie, also die Grunderkrankung, die Fortschritte im Rahmen der notwendigen Therapie und die anatomischen Gegebenheiten. Um das Ziel der dauerhaften Dekanülierung zu erreichen, ist es wichtig, dass Ärzte und Therapeuten, aber auch der Hilfsmittellieferant, die Pflegekräfte sowie Patient und Angehörige eng zusammenarbeiten.

Hochfrequente logopädische Therapie ist dabei von besonders großer Bedeutung. In der logopädischen Therapie wird schrittweise daran gearbeitet, die physiologischen Schluck-, Atem- und Husten-Funktionen wiederherzustellen. Es gibt verschiedene Vorgehensweisen in der Therapie, die prinzipiell von der jeweiligen Grunderkrankung und den Ressourcen des Patienten abhängen.

 

Wie verläuft die Dekanülierung in der Praxis?

Grundsätzlich wird in den meisten Fällen zunächst die Trachealkanüle oder Phonationskanüle entblockt, also entfällt die Abdichtung der Luftröhre mit dem Cuff. Zusätzlich wird der Betroffene mit einem Sprechventil versorgt. Durch die Verwendung des Sprechventils wird die Ausatmung wieder über den Kehlkopf, den Mund und die Nase gelenkt. Zum einen ist es dem Betroffenen dadurch möglich zu sprechen, zum anderen steigt in der Folge die Schluckfrequenz. Im Normalfall schluckt der Mensch durchschnittlich 2000-mal pro Tag oder auch 1 bis 2,82 Schlucke pro Minute1. Menschen, die dauerhaft mit einer Trachealkanüle versorgt sind, schlucken deutlich seltener, etwa 1x pro fünf Minuten2. Das liegt daran, dass durch den fehlenden Luftstrom im Mund- und Rachenraum wichtige Wahrnehmungsimpulse fehlen, die notwendig sind um den Schluckreflex auszulösen. Durch die Verwendung des Sprechventils erhalten die Nerven im Mund- und Rachenraum wieder vermehrt Stimulationen, wodurch die Schluckfrequenz gesteigert werden kann.

Darüber hinaus ist es sinnvoll, den Schluckreflex durch spezielle logopädische Übungen anzuregen. Neben den Übungen für das Schlucken, die sowohl die Schluckfrequenz als auch die Kräftigung der am Schlucken beteiligten Muskulatur betrifft, wird auch das Husten trainiert. Husten ist ein Schutzreflex, der ungewollt ausgelöst wird, wenn man sich verschluckt. Bei Patienten, die lange eine Trachealkanüle tragen, ist der Hustenstoß häufig nicht kräftig genug, da die Atemhilfsmuskulatur oft verkümmert ist. Durch gezielte Übungen kann diese Muskulatur langfristig wieder gekräftigt und aufgebaut werden.

 

Therapiemaßnahmen

In der logopädischen Therapie werden im Rahmen der Entwöhnung u. a. auch effiziente Atemübungen durchgeführt. Alle Therapiemaßnahmen bilden die Vorbereitung darauf, die Trachealkanüle zunehmend längere Zeit entblockt lassen zu können. Außerdem ist es sinnvoll, in dieser Phase zusätzlich den Durchmesser der Trachealkanüle schrittweise zu verkleinern. Durch eine Kombination von speziell ausgewählten Hilfsmitteln und regelmäßig durchgeführten Übungen soll eine kontinuierliche Verbesserung der physiologischen Funktionen wie Schlucken, Husten, Sprechen erzielt werden. Auch die Sekretreduktion bildet in diesem Zusammenhang einen wichtigen Teil der Therapie, die durch gezielte Maßnahmen, wie z. B. kontinuierlichen Gebrauch von HMEs, erreicht werden kann. Grundsätzlich ist bei allen therapeutischen Übungen darauf zu achten, dass der Betroffene die einzelnen Maßnahmen auch gut toleriert, damit sich der Therapieerfolg für den Patienten spürbar einstellen kann.

Bei entsprechendem Therapiefortschritt kann als Nächstes die blockbare Trachealkanüle durch eine Trachealkanüle ohne Cuff oder einen Platzhalter/Button ersetzt werden. In der Folge wird dann zusätzlich statt Sprechventil eine Verschlusskappe aufgesetzt. Damit stellt man eine annähernd physiologische Anatomie des Atemwegs wieder her. In dieser Konstellation erfolgt die Atmung nicht mehr über das Tracheostoma, sondern wieder ausschließlich über den Mund-Nasen-Rachenraum, die Grundvoraussetzung für eine dauerhafte Dekanülierung und evtl. darauf folgenden Tracheostomaverschluss. Die endgültige Entscheidung, ob eine Dekanülierung möglich ist, trifft letztendlich der behandelnde Arzt nach Prüfung aller notwendigen medizinischen Kriterien.

Der Entwöhnungsprozess wird konstant von dem verantwortlichen Arzt begleitet und durch regelmäßige endoskopische Untersuchungen des Atemwegs ergänzt, um festzustellen, welche therapeutischen Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt durchgeführt werden können. Sowohl der benötigte Zeitraum als auch die Entscheidung, ob eine Dekanülierung letztendlich möglich ist, muss sehr individuell für den jeweiligen Patienten getroffen werden. Die Dekanülierung selbst wird unbedingt unter stationären Bedingungen durchgeführt. Dort wird im ersten Schritt untersucht, ob der dauerhafte Kanülenverzicht tatsächlich ärztlich angeraten werden kann.


Wie erfolgt konkret die Dekanülierung?

Unter dauerhaften Monitorings wird die Trachealkanüle entfernt und das Tracheostoma zunächst mit einem Verband/Pflastersystem verschlossen. In manchen Fällen, wie meist beim dilatativ angelegten Punktionstracheostoma, verschließt sich das Stoma nach kurzer Zeit von selbst. Bei einem operativ angelegten Tracheostoma muss dieses aber häufig auch chirurgisch wieder verschlossen werden.

Allgemein ist es sinnvoll, das Tracheostoma zunächst 10 bis 14 Tage schrumpfen zu lassen, um einen eventuellen Spontanverschluss zu ermöglichen. Selbst wenn das nicht der Fall ist, hat sich das Tracheostoma in dieser Zeit meist so stark verkleinert, dass der notwendige chirurgische Verschluss später nur eine kleine Narbe hinterlässt.

Bei Patienten mit fortschreitenden degenerativen Erkrankungen oder auch bei Patienten, die 24 Stunden am Tag beatmet werden müssen, ist eine Dekanülierung in der Regel nicht möglich. Dennoch ist gerade bei diesen Patienten eine hochfrequente logopädische Therapie dringend anzuraten, um die vorhandenen Körperfunktionen bestmöglich zu erhalten und gegebenenfalls auch zu verbessern. Der indikationsgerechte Versuch der Entwöhnung von der Trachealkanüle ist ein elementarer Anteil einer patientenorientierten, professionell geplanten und begleiteten Tracheostomaversorgung im interdisziplinären Team aus den Bereichen Medizin, Pflege, Therapie und Hilfsmittellieferant.

FAHL® Decannulation Tape
 

 

Das FAHL® DECANNULATION TAPE darf ausschließlich bei tracheotomierten Patienten benutzt werden und ist für Laryngektomierte kontraindiziert.


Quellen:

1 Dodds, Stewart & Logemann (1990). Physiology and Radiology of the Normal Oral and Pharyngeal Phases of Swallowing. American Journal of Roentgenology,154(5), 953–963. Doi: 10.2214/ajr.154.5.2108569.

2 Seidl, R. O., Nusser-Müller-Busch, R. & Ernst, A. (2002). Der Einfluss von Trachealkanülen auf die Schluckfrequenz bei neurogenen Schluckstörungen. Neurol Rehabil 8(6), 302–305.