Riechen unmöglich! Oder doch nicht?

Nach einer Kehlkopf-Entfernung atmen Betroffene nicht mehr über die Nase, sondern ausschließlich über das Tracheostoma ein und aus. Dadurch ist nicht nur das Sprechen, sondern auch das Riechen und Schmecken zunächst deutlich eingeschränkt. Mit gezielten Übungen und rehabilitativen Maßnahmen ist es möglich, einige der zunächst verlorenen Funktionen wiederzuerlangen.1

In diesem Artikel betrachten wir das Riechen und die Möglichkeit, trotz Laryngektomie Gerüche wieder wahrnehmen zu können. Es gibt dazu spezielle Hilfsmittel, aber auch besondere Techniken, die relativ einfach erlernt werden können.

Eine Frau in ihrer Küche riecht an Kräutern


Die verlorenen Funktionen empfinden Patienten durchaus als Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Die Haupteinschränkung liegt für die Patienten im Verlust der Stimme und des Riechens, wie eine Studie des Universitätsklinikums Jena in Kooperation mit dem Bundesverband der Kehlkopflosen 2021 beschreibt.1 Die Rehabilitation der Stimme sowie des Riechens und Schmeckens sollte also immer fest im Blick der behandelnden Ärzte und Therapeuten liegen. Aber auch der Patient selbst kann hier mithelfen.

Wie bei so vielem im Leben werden auch hier die besten Ergebnisse erzielt, wenn möglichst oft geübt wird. Wieso ist das Riechvermögen von laryngektomierten Patienten überhaupt eingeschränkt? Dafür ist die veränderte Luftzirkulation über das Tracheostoma verantwortlich. Da die oberen Atemwege komplett von den unteren  Atemwegen getrennt wurden, gelangt bei der Einatmung keine Luft mehr in den Nasen-Rachenraum. Ein Luftstrom ist dort aber unbedingt notwendig, damit Duftmoleküle in unsere Nase gelangen und die dortigen Rezeptoren in Aktion treten können. Die Nase ist nach Laryngektomie durchaus noch funktionstüchtig, aber das  Riechen erfolgt aus diesem Grund nicht mehr automatisch. Es muss neu erlernt und gesteuert werden.2

Übrigens berichten laryngektomierte Patienten von unterschiedlichen Erfahrungen mit ihrem Geruchssinn. Manche können tatsächlich gar nichts mehr riechen, andere haben nur größere Schwierigkeiten als vor der Operation. Es wird auch berichtet, dass nur bestimmte Gerüche wahrgenommen werden, beispielsweise bei einem Spaziergang im Freien, bei dem der Wind Gerüche in die Nase weht.2 Wie gesagt, die Nase ist weiterhin in der Lage, ihre Arbeit zu tun, sie muss allerdings trainiert werden. „Hier stellt der Riechschlauch mit Halsmaske ein Hilfsmittel dar. Durch dieses Verbindungsstück zwischen Mund und Tracheostoma ist eine Luftzirkulation über die Nase möglich“, schreiben die Autoren einer Studie der Universitätsmedizin Berlin aus dem Jahr 2005.3

Durch Zuhilfenahme eines Riechschlauches kann sich die Riechfunktion maßgeblich verbessern. Ein früher Beginn nach der Operation, z. B. mit dem LARYVOX® OLFACTORY TUBE, ist besonders sinnvoll, um zu einem schnellen Erfolg zu kommen. Dabei handelt es sich um einen flexiblen Kunststoffschlauch. An einem Ende ist er mit einem abnehmbaren Mundstück versehen, das zum Mund geführt wird. Am anderen Ende befindet sich ein spezieller Kombiadapter, der sich variabel einsetzen lässt: Zum einen ermöglicht er das Aufstecken einer Halsmaske aus Silikon, mit der dann eine Mund-Tracheostoma-Verbindung hergestellt werden kann. Dabei wird die Halsmaske fixiert und angedrückt, um einen luftdichten Abschluss zum Tracheostoma zu erreichen.

Zum anderen lässt sich mittels des Kombiadapters und bei gleichzeitiger Verwendung von handelsüblichen Basisplatten, z. B. LARYVOX® TAPE, eine feste Verbindung zum Tracheostoma herstellen, die dem Anwender zusätzlich Handfreiheit beim Riechen erlaubt. In diesem Fall wird der Geruchsschlauch mit dem 22-mm-Anschluss am Stomapflaster befestigt. Auf diese Weise wird eine feste und luftdichte Verbindung zum Tracheostoma hergestellt, die nach Bedarf durch Lösen des Adapters aufgehoben werden kann. Der Kombiadapter (15/22 mm) lässt sich auch hervorragend mit einem 15-mm-Normkonnektor der Trachealkanüle verbinden. Die  Nutzung des Geruchsschlauches ist nicht in allen Situationen praktikabel. Der Schlauch gerät z. B. ins Blickfeld und kann als störend empfunden werden. In allen Fällen ermöglicht dieser „Bypass“ den Luftfluss über den Nasen-Rachenraum zur Wiedererlangung der Riechfunktion.

Eine andere Möglichkeit, wieder zu riechen, stellt die Technik des sogenannten „höflichen Gähnens“ dar. Der Name der Technik beschreibt gut, was man dabei tun muss: Man gähnt bei geschlossenem Mund. Die Technik wurde in den Niederlanden am „Cancer Institute/ Antoni van Leeuwenhoek“ gemeinsam mit Patienten entwickelt. In einer Patientenbroschüre4 wird der Ablauf folgendermaßen beschrieben:

  • Schließen Sie den Mund und halten Sie die Lippen geschlossen.
  • Halten Sie Ihre Zunge gegen den Gaumen.
  • Beginnen Sie nun, den Mund zu öffnen, halten die Lippen aber geschlossen.
  • Innerhalb der Öffnungsbewegung wird die gesamte Zunge vom Gaumen nach unten bewegt.

Dieser Bewegungsablauf muss mehrfach erfolgen, so als wenn Sie etwas Schweres kauen möchten. Am besten üben Sie die Technik zunächst gemeinsam mit Ihrem Logopäden oder Sprachtherapeuten vor einem Spiegel. Wichtig zu beachten ist dabei noch, dass Sie ruhig und gleichmäßig atmen. Tiefes Einatmen sollten Sie dabei vermeiden, das könnte Schwindel hervorrufen.2 Das höfliche Gähnen benötigt etwas Übung, und nicht jeder kommt gleich gut damit zurecht. Probieren Sie es einfach aus! Sobald Sie die Technik an sich gelernt haben, können Sie sie jederzeit anwenden, um das Riechen auf diese Weise wiederzuerlangen. Je geübter Sie sind,  desto leichter wird es Ihnen fallen und desto unauffälliger können Sie die Bewegung durchführen.

Ein Mann gähnt und hält die Hand vor den Mund


Quellen:

1 Steinau, P., Walter, S., Hübner, J. et al. Subjektive Bedeutung des Riechverlusts nach Laryngektomie. HNO 69, 878–885 (2021). doi.org/10.1007/s00106-020-00956-4
2 van der Molen, L., Kornman, A. F., Latenstein, M. N., van den Brekel, M. W., & Hilgers, F. J. (2013). Practice of laryngectomy rehabilitation interventions: a perspective from Europe/the Netherlands. Current opinion in otolaryngology & head and neck surgery, 21(3), 230-238.
3 Göktas, Ö., Lammert, I., Berl, J., & Schrom, T. (2005). Rehabilitation des Riechvermögens nach Laryngektomie-der Riechschlauch. Laryngo-Rhino-Otologie, 84(11), 829-832
4 Polak, R., van As, C., van Dam, F., & Hilgers, F. (2004) Olfaction regained, using the Polite yawning technique. A brochure for laryngectomees. ISBN 90-75575-07-6