Mitten aus dem Leben gesprochen

Ein Video-Podcast soll aufklären

Melanie Jost hat eine Vision: sie möchte einen Video-Podcast zu seltenen Erkrankungen und zum Umgang mit einem Tracheostoma produzieren, um über beide Themen aufzuklären. Aus eigener Erfahrung weiß sie, dass diese Themen vielen Menschen unbekannt sind. Selbst in Fachkreisen ist das Wissen darüber teilweise ausbaufähig. Für Melanie sind die Themen sehr wichtig, denn sie lebt in einer Welt, in der Begegnungen mit Menschen und/oder mit pflanzlichen Stoffen lebensgefährlich für sie werden können.

 

zwei Menschen in einem Podcaststudio mit Mikrofon und Laptop

 

Seit 3 Jahren hat Frau Jost starke allergische Reaktionen, eine Diagnose steht noch aus. In der Folge musste sie tracheotomiert werden. Ein paar Dinge über ihren Gesundheitszustand weiß sie mittlerweile: sie hat Asthma bronchiale, eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege. Darüber hinaus reagiert sie allergisch auf alles mentholhaltige, und das ist viel!

Sowohl in Lebensmitteln als auch in der freien Natur, in Kosmetika oder Reinigungsprodukten ist der Stoff enthalten. Leider reicht der Geruch schon aus, um eine allergische Reaktion auszulösen. Zudem entwickelt ihr Körper regelmäßig Schwellungen im Gesicht und im Mund-Rachenraum, sogenannte Angioödeme, deren Ursache noch ungeklärt ist. Die allergischen Reaktionen sind so stark, und die ursächlichen Stoffe so vielfältig, dass Frau Jost immer wieder in lebensbedrohliche Situationen gerät – sie erleidet Anaphylaktische Schocks und hatte schon so starke Schwellungen, dass sie mehrere Tage ins Koma versetzt werden musste. Viele ihrer Beschwerden scheinen zum heutigen Wissenstand medizinisch nicht erklärbar. Seit der Tracheotomie 2023 trägt sie eine Trachealkanüle. Zum Glück funktioniert das Sprechen mit Sprechventil gut, auch wenn die Kraft dafür meist nur für eine halbe Stunde reicht.

Die Idee: ein Podcast

Melanie hat in den letzten Jahren viel erlebt – angenehmes, wie unangenehmes. Ihr wurde bewusst, dass es zu wenig Wissen rund um ihre Erkrankungen gibt. Gleichzeitig merkte sie, dass eine sprechende Tracheostomapatientin eine unglaubliche Chance ist, für Pflegefachkräfte und (angehende) Ärzte Aufklärung zu betreiben. Doch es müsste ein Format sein, innerhalb dessen man Wissen interessant und für Laien verständlich aufbereiten kann, vielleicht mithilfe von Interviewpartnern? Die Idee des Podcast war geboren. Neben der Zielgruppe medizinisches Fachpersonal möchte Melanie vor allem auch Menschen in ähnlichen Lagen und ihren Angehörigen helfen. „Die Scham, manches nicht mehr zu können, das doch zur guten Kinderstube gehört, wie deutlich sprechen, sauber essen, ausgenommen Burger (lacht), sich säubern und so weiter, lässt viele verstummen. Fragen werden nicht gestellt, Situationen, die (oft erheblich) verbessert werden können, als gegeben hingenommen. Das muss nicht sein!“ sagt Frau Jost.

Vielfältige Themen

Auch Tracheotomierte könnten von dem Podcast profitieren. In einigen Folgen geht Melanie Jost explizit auf den Umgang mit dem Tracheostoma und den Folgen ein. Des Weiteren gibt es Erklärungen zur Anatomie, oder Fragen zu den verschiedenen Arten von Tracheotomiekanülen. „Aber auch die Frage nach der Lebensqualität oder der Umgang mit Neugier, Erschrecken, Ablehnung – viele Aspekte werden angesprochen“, beschreibt sie den geplanten Inhalt. Die Form des Video-Podcast eignet sich ihrer Meinung nach gerade gut für erklärungsbedürftige Themen, um Fachbegriffe zu veranschaulichen und auch um eine gewisse Leichtigkeit beizubehalten. Durch die Interviews mit Experten, aber auch Betroffenen, entstehen interessante Gespräche und das Wissen wird sozusagen ganz beiläufig mitgegeben.

Wichtig ist ihr bei allem der respektvolle Umgang mit den Betroffenen. Sie selbst erlebe leider immer wieder, dass sie, z. B. wegen der fehlenden Diagnose, nicht ernst genommen wird und man ihr psychische Probleme unterstellt. Das frustriert sie. Auf der anderen Seite erlebt sie auch sehr respektvollen Umgang durch ihre behandelnden Ärztinnen, Therapeutinnen oder ihrem internationalen Pflege-Team. Ihnen allen ist sie sehr dankbar. Und nicht zuletzt ihrem persönlichen Umfeld. Freunde, Familie und allen voran ihrer Frau Dagmar, die unerschütterlich an ihrer Seite steht.

Noch einmal zurück zum geplanten Podcast. Der Inhalt steht, die Interviewpartner sind gefunden. Was Melanie jetzt noch fehlt, ist jemand, der sie technisch unterstützt. Es müsste eine möglichst flexible Unterstützung sein, da Melanie selbst ihren Alltag je nach Gesundheitszustand etwas spontaner gestalten muss. Sie hofft sehr, dass sich hier noch eine Möglichkeit auftut, aber im Moment fehlt ihr leider die Kraft, sich selbst darum zu kümmern. Anderen Patienten möchte sie noch mitteilen: „lasst Euch nicht abspeisen mit Plattitüden, oder einreden, ihr wärt psychisch krank, oder Hypochonder. Wehrt euch, falls nötig. Informiert euch! Und bittet um Hilfe. Kein Mensch in diesem Land muss alleine durch diese Situationen. Es gibt immer jemanden, der jemanden kennt!“

Zum Schluss fragen wir Frau Jost noch, was ihr in schwierigen Momenten hilft. Sie erzählt von ihrem liebevollen Umfeld, das sie stützt und trägt, von Übungen zum positiven Denken und von Ihren Hobbies: Handarbeiten, fotografieren oder Wortspielereien. Und nicht zuletzt freut sie sich über ihren Hund und die drei Katzen, die ihr bedingungslose Liebe und Freude entgegenbringen.

Melanie Jost, 52 Jahre

Melanie Jost mit Hund

Respekt, sagt sie, ist ein großes Wort: „Es bedeutet für mich, Menschen nicht anhand bestimmter Merkmale in Schubladen zu stecken. Mangelnde Sprachkenntnisse
oder Sprechfähigkeit sind weder ein Zeichen mangelnder Bildung noch Intelligenz. Geringe Koordination beim Essen ist kein Zeichen fehlender Manieren und Humor ist kein Zeichen mangelnder Ernsthaftigkeit.“ Glücklicherweise wird ihr Respekt von der Mehrheit ihrer Mitmenschen entgegen gebracht – dafür ist sie dankbar.

Unter dem #Mentholprinzessin postet Melanie regelmäßig Informationen auf Facebook, Instagramm und TikTok.

Portrait von Melanie Jost

Bilder: 
Bild oben: EFA_KIgeneriert – stock.adobe.com
Porträts: Melanie Jost, privat


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