Mit Lab und Seele
Die Lebensmittelherstellung ist für Wolfgang Schneider seit jeher ein faszinierendes Thema. Der studierte Landwirt spezialisierte sich auf die Molkereiwissenschaft und verbrachte sein Berufsleben in dieser Branche. Geblieben ist bis heute die Käseherstellung, die er mittlerweile zu Hause betreibt. Außerdem kümmert sich der laryngektomierte Senior um ein kleines Waldstück, sein „Outdoor-Fitnesscenter“, wie er es augenzwinkernd nennt.
Laryngektomiert ist Wolfgang Schneider seit 2021. Die Diagnose „Kehlkopfkrebs“ war für ihn ein Schock. „Aber um ehrlich zu sein, sie kam nicht völlig aus heiterem Himmel. Man merkt ja doch selbst, dass irgendetwas nicht stimmt, und braucht nicht so sehr viel Fantasie, um dabei nicht auch mal an Krebs zu denken“, erzählt er. Vorausgegangen waren fast vier Jahre Heiserkeit, die Diagnose kam leider recht spät. Trotzdem, so Wolfgang, habe er ein Riesenglück im Unglück gehabt, denn er benötigte außer der Operation weder Bestrahlung noch Chemotherapie. Auch das Sprechen mit Stimmprothese funktionierte zwei Wochen nach der Operation relativ problemlos. Deshalb kann er mit seiner Erkrankung sehr entspannt umgehen, sie behindere ihn kaum, sagt er. „Sicher funktioniert das eine oder andere nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt, wie z. B. Schwimmen, Singen, Lachen, Riechen oder La-Paloma-Pfeifen“, führt er aus, „aber damit kann man gut leben.“
Wie sehr ihn die Lebensmittelherstellung fasziniert, merkt man gleich, wenn er detailliert über seine eigene Käseproduktion spricht. Er selbst verkäst in der Regel so um die 200 l Rohmilch (das ergibt ca. 23 kg Käse), die ganz frisch von der Kuh kommen und nur im Winter noch geringfügig auf ca. 33 °C aufgeheizt werden müssen. Anschließend werden noch Bakterienkulturen und Labenzym dazugegeben. Dann heißt es warten, rühren, schneiden, abfüllen und wieder warten – hier äußerst verkürzt wiedergegeben.
Käserei ist Handwerkskunst
Die eigentliche Kunst besteht laut Wolfgang darin, die Unterschiede in der Rohware, den Säuerungsverlauf oder die Bruchfestigkeit durch Anpassung der Prozessparameter auszugleichen. Das sei wie beim Fliesenlegen, auch das könne man selbst machen. „Vergleicht man das Ergebnis dann mit einer Profiarbeit, kommt die Ernüchterung. Aber auch hier machen Weiterbildung und Übung den Meister“, erklärt der Fachmann munter.
Seine Käsetypen sind im Wesentlichen Schnittkäse, der allerdings nicht so recht in ein Raster passen will. Der eine Typ ist ähnlich einem Tilsiter. Der andere Typ hat eine relativ harte, trockene Oberfläche und wird ab drei Monaten Reifungszeit eher parmesanähnlich. Eine Art Butterkäse mit schwarzem Wachsüberzug hat er auch im Angebot. Es handelt sich in jedem Fall um Rohmilchkäse mit einem Fettgehalt in der Rahmstufe, was dem Geschmack zuträglich ist. „Ich produziere nur für den Eigenbedarf, für Freunde und Bekannte und natürlich für die Familie des Milcherzeugers.“
Die Arbeit in seinem Waldstück ist für Wolfgang Schneider sein privates Fitnesstraining mit jeder Menge verschiedener Geräte und frischer Luft im Überfluss. Sein fleißigster Helfer ist motorisiert, ein Traktor Marke Eicher, Baujahr 1957 mit 19 PS.
Die Waldarbeiten verlaufen im Rhythmus der Jahreszeiten: Im Winter wird Holz gefällt und zu Brennholz aufbereitet. Im Jungholz muss durchgeforstet werden, um wieder für Licht und Luft zu sorgen und die Standfestigkeit zu verbessern. Im Herbst oder Frühjahr werden Aufforstungsflächen von Verbuschung befreit und neue Bäume gepflanzt. Am meisten freut ihn, dass er diese Arbeit überhaupt noch machen kann. Vor der Operation habe man ja keine Ahnung, wofür hinterher die Luft überhaupt noch reiche, überlegt Wolfgang Schneider dankbar.
Wünsche für den Wald
Sorgen bereitet ihm der Klimawandel. „Falls jemand noch nicht an den Klimawandel glaubt, ist er sicher kein Waldbesitzer. Ich glaube, kaum irgendwo zeigt sich der Klimawandel deutlicher“, ist sich der Senior sicher. Früher hat es natürlich auch immer Probleme gegeben, aber eher ein oder zwei pro Jahr.
Im letzten Jahr hatte er alle Schwierigkeiten auf einmal: Wildschäden, Trockenheit, Sturmschäden, Hagelschlag, Borkenkäfer, Eschentriebsterben und zu guter Letzt Schneebruch. Was er sich noch so wünscht, fragen wir ihn zum Schluss. „Für den Umgang mit dem Wald hätte ich jede Menge Wünsche“, antwortet er.
„An die Mitbürger, den Wald weniger emotional oder ideologisch, sondern durchaus pragmatisch zu betrachten, und an den Gesetzgeber den Wunsch, nicht der Regulierungswut zu unterliegen. Die Fachleute, wie Förster und Waldbesitzer, wissen am besten, was dem Wald nutzt. An Petrus hätte ich den Wunsch, er möge es nicht wieder zu so einer Häufung von Schadereignissen kommen lassen wie 2023, und schließlich an den Herrgott, er möge mich doch noch einige Jahre in meinem Wald werkeln lassen.“
Wolfgang Schneider
Seit seiner Laryngektomie ist er bei FAHL in der Versorgung und beschreibt es mit dem Satz: „Passt alles prima!“ Wolfgang weiß nicht nur, wie man Käse herstellt, sondern kennt auch dessen historischen Ursprung: Entstanden ist die Käserei wohl so, dass unsere Urahnen einmal Milch in einem Schlauch aus Ziegenmagen aufbewahrt haben.
Und siehe da, das Lab im Magen hat die Milch gerinnen lassen. Verrührt man nun diese Gallerte und lässt sie abtropfen, hat man im Prinzip schon einen ganz frischen Käse.
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