Liebesglück und Lebensmut
„Liebe ist die stärkste Macht der Welt“, hat Mahatma Gandhi einst gesagt. Nathalie Sänger ist der beste Beweis dafür. Nach einer Tumorblutung hing ihr Leben an einem seidenen Faden, ihre Familie wurde bereits aufgefordert, sich zu verabschieden. Doch aufgeben kam für Nathalie nicht in Frage, sie wollte unbedingt noch heiraten – mindestens das!
Alles begann im August 2018, als bei Nathalie Sänger ein Tumor im Nasen-Rachen-Raum festgestellt wurde, leider inoperabel. Ein halbes Jahr später war immerhin klar, dass der Krebs nicht gestreut hatte, die Therapiemaßnahmen schienen anzuschlagen. Doch dann erlitt Nathalie eine Tumorblutung, wurde tracheotomiert, ins Koma versetzt, und zu allem Übel hatte sie noch einen Schlaganfall. Zu diesem Zeitpunkt war sie 28 Jahre alt.
Der schönste Tag ihres Lebens
Als sie aus dem Koma geholt wurde, konnte die junge Frau nicht mehr laut sprechen, und ihr rechter Arm war gelähmt. Der Tumor war mittlerweile in die Halsschlagader gewachsen, die Ärzte verloren die Hoffnung. „Mein Onkologe stellte mir die Frage, was mein letzter Wunsch sei. Ich sagte sofort: meinen Mann zu heiraten“, erzählt Nathalie. Die Hochzeit war sowieso schon geplant, die dramatischen Ereignisse hatten sie verschoben. Jetzt sollte es schnell noch passieren.
„Meine engsten Freunde und auch die Familie haben alles in die Wege geleitet und innerhalb von drei Tagen unsere Hochzeit geplant“, freut sie sich. Am 9. Juni 2019 gaben sich Nathalie Sänger und ihr Mann das Jawort auf der HNO-Station im Städtischen Krankenhaus Dortmund. Sie trug ihr bereits wenige Wochen vorher gekauftes Hochzeitskleid und ihr Mann seinen Anzug. Die Familie sorgte für die Hochzeitstorte und das Gästebuch. Eine freie Traurednerin machte den Tag zu einem der schönsten in ihrem Leben.
„Ich lag in einem kleinen Einbettzimmer mit Balkon, und wir hatten ca. 35 Gäste im Zimmer“, lacht Nathalie. Zwei Tage später kam eine Frau vom Standesamt und überreichte die Eheurkunde.
Palliativ oder Hospiz?
Frisch vermählt ging es dann um die Frage: Palliativstation oder Hospiz? Nathalie Sänger entschied sich für das Hospiz, und ihr Mann zog mit ihr dort ein. Seine Liebe und die ihrer Familie trugen sie durch diese schwere Zeit, die liebevolle Pflege der Hospizmitarbeiter tat das Übrige. Auch hier gab sie niemals die Hoffnung auf, und Stück für Stück ging es tatsächlich bergauf.
Nathalie wurde immer fröhlicher und positiver, sie wollte wieder am Leben teilnehmen. Irgendwann kam die Frage auf, ob sie wieder nach Hause möchte. Lange hat das Ehepaar darüber nachgedacht, viel miteinander gesprochen und sich schlussendlich dafür entschieden.
„Ich habe mich von Tag zu Tag,
Woche zu Woche, immer mehr getraut.“
(Nathalie Sänger)
Bereits im September 2019, drei Monate nach den dramatischen Ereignissen, zog das junge Paar ins eigene Heim. Zu Hause angekommen, begann Nathalie wieder mit dem Schluck- und Stimmtraining. Bereits vor dem Schlaganfall hatte sich ihre Speiseröhre verschoben, und sie benötigte eine Magensonde, weswegen sie bereits mit einer Logopädin zusammengearbeitet hatte. Diese besuchte sie jetzt wieder. Das Stimmtraining erwies sich als sehr anstrengend, das Atmen fiel ihr schwer. Leider funktioniert das Sprechen bis heute nicht.
Ritueller Karamell-Latte-Macchiato
Auch das Schlucktraining war mühsam. „Ich wollte aber wieder mal ein Eis essen oder einen Kakao trinken“, erklärt Nathalie ihre Motivation.
Also trainierte sie weiter, Schluck für Schluck, teils mit vielen Hustenanfällen. Aufgeben war keine Option, also weiter.
Um sich selbst positiv zu stärken, nutzte sie ein Ritual und machte sich täglich einen warmen Karamell-Latte-Macchiato, den sie sehr gerne trinkt. Und tatsächlich, die vielen Übungen und der Mut, sich nach und nach mehr zuzutrauen, zahlten sich aus. Heute kann sie wieder flüssige und pürierte Nahrung zu sich nehmen.
Nach dem Auszug aus dem Hospiz diskutierte das Ehepaar Sänger über eine kirchliche Trauung und eine größere Hochzeitsfeier. Letztendlich haben sie sich dagegen entschieden, da es beide körperlich und auch finanziell womöglich überfordert hätte. Aber ein Hochzeitsshooting gönnten sich die beiden, vor der Kulisse eines Schlosses. Auch eine Hochzeitsreise haben sie noch gemacht, an ihrem ersten Hochzeitstag nach Köln, um dort ein Liebesschloss am Brückengeländer anzubringen.
„Ich möchte anderen Menschen mit meiner Geschichte zeigen, dass aufgeben nie eine Wahl ist“, sagt Nathalie Sänger zum Abschluss. Ihr Lebensmut, der beeindruckende Durchhaltewille, viel Übung und vor allem die starke Liebe ihres Mannes und ihrer Familie halfen ihr, sich zurück ins Leben zu kämpfen. Chapeau!
Nathalie Sänger, 33 Jahre
Seit 2019 ist Nathalie Kundin bei FAHL und beschreibt die Firma als zuverlässig und ehrlich mit tollen Mitarbeitern.
Es war Nathalie sehr wichtig, mit ihrem Beispiel anderen Mut zu machen, und deshalb hatte sie sich proaktiv bei der SCHON GEHÖRT? Redaktion gemeldet. Darüber haben wir uns sehr gefreut und ihre Geschichte gerne aufgenommen.
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