Der Tag der Stimme

Am 16. April findet der jährliche „World Voice Day“, der „Welttag der Stimme“, statt. Diesen Tag riefen HNO-Ärzte, Kopf-Hals-Chirurgen sowie Logopäden 1999 ins Leben, um auf das äußerst komplexe System der Stimme aufmerksam zu machen – aber auch auf die Krankheiten, die das stimmbildende Organ betreffen können.

Die menschliche Stimme wird schon als Reflex beim ersten Schrei nach der Geburt erzeugt. Später erlernt der Mensch zu sprechen, Worte zu bilden und mit der Phonation zu kommunizieren. Flüstern, jubeln, schreien, singen – alles ist mit unserer Stimme möglich. Wir nutzen ständig unsere Stimme, ohne bewusst darüber nachzudenken. Erst bei einer Heiserkeit oder ernsteren Erkrankungen wird uns bewusst wie wichtig es ist, sich stimmlich auszudrücken.

Die Funktion der Stimme

Die Stimme des Menschen ist ein individuelles Merkmal, daran erkennen wir uns gegenseitig und auch Gemütszustände lassen sich wahrnehmen. Die menschliche Stimme ist eigentlich ein Luftstrom (Energielieferant), der in der Lunge erzeugt wird, die Stimmlippen im Inneren des Kehlkopfes in Schwingungen versetzt und auf dem Weg durch Hals und Mund klanglich geformt wird.

Diese Stimmfunktion wird z. B. bei einer notwendigen Operation der Laryngektomie grundsätzlich verändert. Der gesamte Kehlkopf und die Stimmbänder werden dabei entfernt und das Sprechen ist dadurch zunächst nicht mehr möglich. Auch eine komplette Trennung von Luft- und Speiseröhre ist funktional erforderlich, um dauerhaftes Verschlucken zu verhindern. Das Ein- und Ausatmen erfolgt dann ausschließlich über das Tracheostoma. 
 

Die Rehabilitation der Stimme 

Die Fähigkeit zu kommunizieren ist ein lebenswichtiges Grundbedürfnis. Daher nimmt die Stimmrehabilitation nach der Operation einen wichtigen Stellenwert ein. Das Ziel der logopädischen Therapie ist es, eine für den Betroffenen geeignete Ersatzstimme zu finden. Um wieder an gemeinschaftlichen Aktivitäten teilnehmen zu können und seinen sozialen Alltag wiederzugewinnen, ist es notwendig das Sprechen neu zu erlernen. 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Stimme zu erzeugen, welche jedoch alle nicht absolut der früheren eigenen Stimme entsprechen. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich im Rahmen der Stimmrehabilitation bewusst mit dem veränderten Stimmklang auseinanderzusetzen und mit der Tatsache, dass sich damit auch ein Teil der Persönlichkeit verändert hat. 

 

Folgende Möglichkeiten der Rehabilitation stehen alternativ zur Verfügung:
 

Das Pseudoflüstern

Pseudoflüstern ist nicht nur eine Form der stimmlichen Rehabilitation, sondern bietet auch gleichzeitig die Grundlage für das Erlernen von zwei weiteren stimmstimmlichen Möglichkeiten (Ructusstimme oder Sprechen mit der elektronischen Sprechhilfe). Dabei nutzt der Patient die Luft, die im Mundraum vorhanden ist und artikuliert diese überdeutlich durch die Mundbewegungen.
 

Die Ruktusstimme

Bei der Ruktusstimme (Speiseröhren-Ersatzstimme) wird die im Mund befindliche Luft in den oberen Teil der Speiseröhre inhaliert oder gedrückt. Diese Luft verbleibt dort für kurze Zeit und wird dann kontrolliert wieder aus der Speiseröhre in den Mund befördert. Dabei geraten Schleimhautfalten am oberen Rand der Speiseröhre in Schwingung. Durch diese Schwingung entsteht ein Ton, der dann durch die Mundbewegung artikuliert werden kann.

Die Stimmprothese

Bei der Stimmprothese (Shuntventil) handelt es sich um einen Platzhalter mit einem kleinen Ventil, welches zwischen der Luft- und Speiseröhre in einem sogenannten Fistelkanal sitzt. Diese Stimmprothese wird entweder in der Primäroperation zur Kehlkopfentfernung oder in einem weiteren, später erfolgenden Eingriff eingesetzt. Es handelt sich dabei um ein Einwegventil, welches verhindert, dass Speisen und Flüssigkeiten von der Speiseröhre in die Luftröhre gelangen. Dieses Ventil ermöglicht bei richtiger Handhabung, z. B. durch einen manuellen Tracheostomaverschluss, dass die Luft bei der Ausatmung in die Speiseröhre gelangt. Wie auch schon bei der Ructusstimme, wird dort das „stimmgebende Segment“ in Schwingung versetzt, sodass ein Ton entsteht. Dieser Ton kann dann artikuliert und zum Sprechen genutzt werden. Bei dieser Ersatzstimme ist die lange Äußerungsdauer ein großer Vorteil, da das gesamte Luftvolumen der Austamung zum Sprechen genutzt werden kann.

Die Elektronische Sprechhilfe

Bei dieser Methode wird ein elektronisches Gerät verwendet, um einen Ton zum Sprechen zu erzeugen. Das Gerät wird an die Wange, das Kinn oder den Hals gehalten und erzeugt dort Schallschwingungen, die sich auf die Luft im Mund- und Rachenraum übertragen und dort zum Sprechen genutzt werden können. Ist erst einmal ein geeigneter Ansatzpunkt an den Halsweichteilen für das Gerät gefunden, ist das Erlernen dieser Ersatzstimme recht schnell und komplikationslos möglich. Im Rahmen der logopädischen Therapie werden Äußerungslänge, Betonungen und Handhabung des Gerätes individuell geübt und eingestellt. Bei der elektronischen Sprechhilfe ist das Pseudoflüstern Voraussetzung.
 

Fazit

Die Stimmrehabilitation nach Laryngektomie ist sehr komplex. Sie beginnt bereits intraoperativ entsprechend der tumorbedingten Gegebenheiten und setzt sich anschließend im Rahmen der logopädischen Therapie professionell fort. Ziel ist es, ein für den Patienten individuell passendes Konzept zu finden. 
In enger Zusammenarbeit von Logopäden, Ärzten und Hilfsmittelversorgern wird deshalb für den einzelnen Patienten die am besten geeignete Hilfsmittelversorgung und Therapie sinnvoll aufeinander abgestimmt. 

Grundsätzlich ist eines bemerkenswert:
Selbst der komplette Verlust des stimmbildenden Organs führt nicht zur absoluten Stimmlosigkeit des Betroffenen.