Bewältigung der Alltagssituation

 

Nach einer schweren Erkrankung und teilweise länger bestehenden oder gar permanenten Veränderung der körperlichen Unversehrtheit wie ein Tracheostoma, wird die Rückkehr in das Alltagsleben häufig als eine besondere Herausforderung von Betroffenen und Angehörigen empfunden. Dinge des täglichen Lebens, die bisher selbstverständlich erledigt werden konnten, müssen neu erlernt oder unter anderen Rahmenbedingungen durchgeführt werden. So ist z. B. für jeden Halsatmer die morgendliche Dusche über Kopf nicht mehr ohne spezielle Vorbereitungen zu genießen.

Dankenswerterweise können spezielle Hilfsmittel die Gefahr des Wassereintritts durch das Tracheostoma deutlich reduzieren. Doch die unmittelbare Gefahr durch Dusche oder Badewanne muss primär erkannt und akzeptiert werden. Patienten sollten z. B. grundsätzlich rutschfeste Badewanneneinlagen nutzen, um ein Abrutschen der Halsöffnung unter die Wasseroberfläche zu vermeiden! Sicherheit kann gerade in den ersten Wochen und Monaten nach der Operation ein handliches Signalrufgerät bieten, das im Badezimmer in greifbarer Nähe bereitliegen sollte, um Angehörige oder Nachbarn auf Notsituationen aufmerksam machen zu können.

Besondere Irritation besteht bei Laryngektomierten oft gegenüber der Veränderung der eigenen Stimme. Wenn wir berücksichtigen, dass der Mensch zu 70 % über seine Stimme identifiziert wird, ist die Verunsicherung nachvollziehbar, die trotz Stimmrehabilitation mit Hilfsmitteln und logopädischem Training von Patienten oft empfunden wird. Auch die Beschreibung der Stimme als Spiegel der Seele vermittelt deren besondere Bedeutung.

So ist es nachvollziehbar, dass Betroffene in der ersten Phase nach der Operation bestimmte Situationen wie Brötcheneinkauf, Telefonieren, größere Menschenansammlungen etc. meiden und empfindlich auf negative Erfahrungen mit dem sozialen Umfeld reagieren. Nicht selten kommt es in der Folge schnell zur privaten und sozialen Isolation sowie einer Blockade der beruflichen Reintegration.

Das Team von Spezialisten aus unterschiedlichen Bereichen (Hilfsmittellieferant, Logopäde, Pflege, Ärzte etc.) ist hier gefragt, diese Anfangsschwierigkeiten zu begleiten, zu analysieren und durch individuelle Anpassungen Optimierungen zu erreichen. Gerade im Rahmen beruflicher Tätigkeiten, aber auch zum Management von Notfallsituationen, ist z. B. die Telefonverständlichkeit ein wichtiger Marker und Sicherheitsaspekt. Unterstützend können auch von Angehörigen besprochene Aufnahmen für die Notfallsituation daheim sein, um bei Bedarf Notarzt oder Feuerwehr verständlich informieren zu können. Die Entwicklung von persönlich passenden Bewältigungsstrategien ist für jeden Betroffenen eine lohnenswerte Herausforderung.

Auch die bestehenden pulmonalen Effekte nach Tracheotomie/Laryngektomie machen die Alltagssituation für Betroffene schwierig. Sekretbildung mit vermehrtem Husten, produktivem Sekretauswurf und entsprechenden Geräuschen werden oft schon von Angehörigen, aber gerade auch bei Begegnungen mit Fremden, z. B. im Restaurant oder Kino als unangenehm und störend empfunden – und leider auch entsprechend bewertet.

Ein Tipp: Der souveräne Umgang mit der Alltagssituation entwickelt sich im Laufe der Zeit.

Die Entfernung des Kehlkopfes führt neben vielen bereits beschriebenen Folgen auch zum Verlust der „Bauchpresse“. Dank dieser Funktion können wir schwere Lasten heben, z. B. beim Einkaufen oder im beruflichen Bereich körperlich anstrengende Aufgaben erledigen. Aber auch für die Aufrechterhaltung der Verdauungsfunktion hat die Bauchpresse besondere Bedeutung. Erfahrungsgemäß wird in diesem Zusammenhang im Rahmen der Laryngektomie gerade von Patienten bisher wenig Bedeutung beigemessen.

Selbst die Einnahme von Mahlzeiten kann zum Stolperstein werden. Im Rahmen der unterschiedlichen Therapien können besonders bei laryngektomierten Patienten diverse Störungen der Schluckfunktion auftreten. Strahlenbedingt kommt es beispielsweise zur Mundtrockenheit, die auch zu einem erschwerten Transport der Nahrung durch die Schluckstraße führen kann. Auch die Größe und Konsistenz der Nahrung kann entscheidend sein. Nicht selten verändern sich deshalb im Rahmen der Erkrankung die Essgewohnheiten teils unbewusst, aber deutlich: längere Dauer der Mahlzeiten, andere Nahrungspräferenzen, Reduktion der Mengen und Einseitigkeitstendenzen. Die Entwicklung einer zumindest qualitativen Mangelernährung mit Einschränkung der Leistungsfähigkeit und Verlust der Lebensqualität ist durchaus zu erwarten. Einschränkungen der Aktivität, eine Verringerung des Aktionsradius und die körperliche Belastbarkeit beim Laufen – gerade bergauf, beim Treppensteigen und evtl. Sport – sind keine Seltenheit.

Nicht zu vergessen sind auch die Einschränkungen im Bereich von Geruch und Geschmack, aufgrund des veränderten Atemwegs unter Umgehung der in der Nase befindlichen Geruchsrezeptoren. Dieses Themenfeld muss noch auf einen weiteren Aspekt der veränderten Alltagssituation aufmerksam machen. Der eingeschränkte Geruch kann gerade im häuslichen Umfeld eine Gefahr bedeuten, wenn vergessene und verbrannte Speisen auf dem Herd erst zu spät bemerkt und dann schon als Brandherd bekämpft werden müssen. Es empfiehlt sich unbedingt, Rauchmelder in den Räumen zu installieren.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang u. a. auch, dass selbst das Auspusten einer Kerze vom Laryngektomierten zunächst wieder erlernt werden muss.