Assistenzhunde
Der 6. Sinn des Menschen
Die Sinne des Menschen - einerseits senden sie für uns unbewusst stetig Informationen an unser Gehirn, andererseits können wir uns auch bewusst auf einen einzelnen konzentrieren. Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten, diese 5 Sinne machen unsere Wahrnehmung maßgeblich aus. Auch der Gleichgewichtssinn und die Empfindung von Temperatur und Bewegung sind für uns Menschen wichtig. Nur so können wir uns in der Umwelt gut zurechtfinden, haben Orientierung und fühlen uns in Sicherheit. Doch wer gibt Hilfe, wenn die eigene Sicherheit ins Wanken gekommen ist?
Wer kennt nicht eine der vielen beeindruckenden Geschichten, in denen ein Hund mit außergewöhnlicher Begabung und herausragender Leistung die Hauptrolle spielt? Vielleicht hat alles mit Barry angefangen, einem Bernhardiner, der Anfang des 19. Jahrhunderts in den Schweizer Alpen von Mönchen aufgezogen wurde und bei schwierigen Wetterlagen wie Schneestürmen oder Lawinen auf Suche nach verschütteten Menschen ging. Es wird berichtet, dass Barry innerhalb von 12 Jahren mehr als 40 Leben gerettet haben soll! Dem Beispiel folgend sind heute in der Schweiz mehr als 100 Lawinenhunde im Einsatz. Auch im ersten Weltkrieg wurden schon Sanitätshunde eingesetzt deren Aufgabe darin bestand, Verletzte aufzuspüren. Dabei konnten die trainierten Hunde mit Ihren ausgeprägten Sinnen sogar Bewusstlose mit nur schwachen Lebenszeichen identifizieren und deren Bergung ermöglichen.1 Längst übernehmen Hunde in unserer Zeit ganz unterschiedliche „Jobs“. Häufig liegen ihre Einsätze nicht mehr nur in offensichtlichen Krisengebieten, sondern sie werden für Menschen mit speziellen Erkrankungen oder Handicaps zu einem wichtigen Helfer und Assistenten im Alltag.
Als Hundebesitzer empfindet man sicherlich die bloße Anwesenheit des eigenen Vierbeiners als wichtigen Beitrag oder Hilfe für eine verbesserte Lebensqualität. Mitunter gibt es auch die ein oder andere Anekdote zu berichten. Freut man sich nicht, wenn Bello morgens gern die Zeitung apportiert, oder Lucy brav das eigene Spielzeug in die dafür vorgesehene Kiste einräumt? Ähnliche Beispiele finden sich zweifelsfrei zahllos. Doch unsere Aufmerksamkeit soll sich in diesem Artikel auf eine ganz besondere Gruppe von Hunden richten, einen professionellen Alltagshelfer, den sogenannten „Assistenzhund“.
Was ist das Besondere an Assistenzhunden?
Ein Assistenzhund ist ein Hund, der nach spezieller Ausbildung in der Lage ist, bei Menschen behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen, und ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, oder zu erleichtern. Es gibt verschiedene Assistenzhundearten in Deutschland, die unterschiedliche Nachteile ausgleichen können. Assistenzhunde besitzen spezielle Rechte, auch Zutrittsrechte genannt, die in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen festgeschrieben sind. Das macht deutlich, dass Assistenzhunde tatsächlich einen echten Job übernehmen. Charakterliche Auswahl, lange Ausbildung und strenge Prüfung gehen der dauerhaften Begleitung einer Person mit Handicap unbedingt voraus. Und nicht jeder Hund schafft den langen Weg vom Anfang bis zum Ende der Ausbildung. In Deutschland sind die Qualifikationskriterien für Assistenzhunde standardisiert, was dem Schutz von Mensch und Tier dienen soll. So gilt und regelt bei uns die sogenannte Assistenzhundeverordnung2 detailliert
die Eignung, Ausbildung und Prüfung des Hundes oder der Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaft. Aber auch die Zulassung von Ausbildungsstätten und Prüfern unterliegt diesem Regelwerk. Erst nach der Grundausbildung und einem bestandenen Gesundheits – und Wesenstest, kann der Hund bei Eignung auf mindestens drei spezielle Aufgaben für seinen Menschen mit Behinderung trainiert werden.
Um einen Assistenzhund an seiner Seite haben zu können, ist also mit hohem Zeitaufwand und Kosten für Mensch und Hund zu rechnen, was schon allein daran liegt, dass ein Assistenzhund grundsätzlich für einen bestimmten Menschen und dessen individuellen Hilfsbedarf ausgebildet wird. Abgeschlossen wird die Ausbildung mit einer staatlichen Assistenz-Hund-Team-Prüfung bei einem akkreditierten Prüfer. Die erfolgreichen tierischen Absolventen erhalten in diesem Rahmen auch ihre offizielle Assistenzhundeweste, mit der ihre gültige Anerkennung sichtbar gemacht wird. Auch ein Mensch-Assistenzhund-Ausweis wird ausgestellt, um im Alltag die besonderen Berechtigungen bei Bedarf offiziell nachweisen zu können.3
Was hat es damit in der Praxis konkret auf sich?
Geprüfte Assistenzhunde haben Zugang zu allen öffentlichen Gebäuden, dürfen z. B. auf Flügen in der Kabine im Fußraum transportiert werden und haben mit der Prüfung nachgewiesen, dass sie sich in der Öffentlichkeit angemessen verhalten, stets unter Kontrolle sind und die Hilfsaufgaben für den Besitzer zuverlässig erfüllen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist das Ziel, für den behinderten Menschen soziale Teilhabe und Barrierefreiheit zu erreichen, realisierbar. Gleichzeitig erfolgt damit auch eine klare Abgrenzung zu dem Hund als Haustier im Alltag und im öffentlichen Raum. Nicht selten wird der Begriff des Assistenzhundes fälschlicherweise mit dem Therapiehund gleichgesetzt. Therapiehunde werden aber mit komplett anderer Zielsetzung ausgebildet. Gerade im medizinisch therapeutischen Bereich werden Therapiehunde für viele unterschiedliche Patienten eingesetzt und geben emotionale Unterstützung bei der oft langwierigen Behandlung. Sie sind also gerade nicht ausschließlich für einen bestimmten Menschen ausgebildet.
In welchen Bereichen können Assistenzhunde eingesetzt werden?
Es ist sehr beeindruckend, welche „Jobs“ die Helfer auf vier Pfoten übernehmen können. Naheliegend ist sicher die Hilfe bei eingeschränkter Mobilität ihres Menschen. Heruntergefallene Dinge aufzuheben, oder aus dem Regal bestimmte Sachen zu holen. Beeindruckend ist aber vor allem der 6. Sinn der Assistenzhunde z. B. wenn es darum geht, erst entstehende, gefährliche Notfall-Situationen frühzeitig zu erkennen. Eine bedrohliche Veränderung des Blutzucker-Spiegels kann der Diabetes-Assistenzhund wittern und seinen Menschen warnen. Der Epilepsie-Hund erkennt einen bevorstehenden epileptischen Anfall frühzeitig und reagiert entsprechend. Selbst der Notfallknopf für eine kritische Situation daheim, kann von einem Assistenzhund bedient werden. Uns Menschen stehen diese vorausschauenden Fähigkeiten nicht zur Verfügung. Umso mehr Respekt gehört unseren tierischen Helfern, die bereitwillig Leben retten, oder auch für den Menschen ihr eigenes Leben riskieren. Weltberühmt wurde beispielsweise der mutige Spürhund Trakr, der mit seinem Herrchen James Symington am 11. September 2001 in den Ruinen der Zwillingstürme in New York eingesetzt war. Rund 48 Stunden später fand Trakr die letzte Überlebende in den Trümmern.4
Was muss allgemein beachtet werden?
Für unterschiedliche Erkrankungen werden Assistenzhunde ganz individuell ausgebildet, um als professioneller Helfer im Alltag zu fungieren. Das bedeutet aber gleichzeitig ein hohes Engagement der behinderten Person in der Ausbildung des eigenen Assistenzhundes. Nur durch gemeinsames Agieren und Lernen kann aus Mensch und Tier ein echtes Team werden. Und wer im Team Leistung bringt, braucht auch seine Pausen. Tägliches Spielen und regelmäßige Auszeiten vom Job des Alltagshelfers sind auch für Assistenzhunde vorgesehen.
„Der Hund ist der sechste Sinn des Menschen.“ Lautet ein Zitat von Christian Friedrich Hebbel. Besser kann man die enge und vertrauensvolle Beziehung zwischen Mensch und seinem Assistenzhund wohl kaum beschreiben. So nah müssen sie sich sein, um miteinander den Alltag zu meistern, soviel Raum müssen sie sich geben, um die Freude aneinander nicht zu verlieren, und soviel Erfahrung ist nötig, um die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Hunde zu solch beeindruckenden Ergebnissen zu lenken - Respekt!
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Quellen:
1 blog.anicare.eu/allgemein/eine-heldengeschichte-rettungshunde-damals-und-heute, abgerufen am 23.04.2025
2 www.bmas.de/DE/Soziales/Teilhabe-und-Inklusion/Politik-fuer-Menschen-mit-Behinderungen/Assistenzhunde/assistenzhunde.html, abgerufen am 23.04.2025
3 www.deutschland-barrierefrei.de/DE/mobilitaet/assistenzhunde/assistenzhunde.html, abgerufen am 23.04.2025
4 www.sueddeutsche.de/panorama/beruehmter-spuerhund-des-11-september-der-geklonte-held-1.87912, abgerufen am 23.04.2025
Bilder:
Hund im Katastrophengebiet: saichon_KIgeneriert – stock.adobe.com
Alle anderen Bilder: Deutsches Assistenzhunde-Zentrum T.A.R.S.Q.®


